BÜRGER AM WORT

In dieser neu geschaffenen Kolumne „Bürger am Wort“, wollen wir Menschen aus unserer Gemeinde zu Wort kommen lassen, indem wir ihre Geschichten erzählen. Dies ist uns natürlich nur möglich, indem wir unsere Gesprächspartner persönlich treffen.
In diesem Beitrag dürfen wir Ihnen über einen landwirtschaftlichen Betrieb aus Grünburg Leonstein berichten.

Was macht eigentlich ein Landwirt den ganzen Tag?

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Wenn man durch das Steyrtal blickt, kann man ringsum gepflegte Landschaften, gemütliche Almen, intakte Natur, blühende Streuobstwiesen, grasende Rinder und vieles mehr bewundern. Niemand hinterfragt, wer sich hinter dieser gepflegten Kulturlandschaft verbirgt, aber es wird von uns allen als Selbstverständlichkeit betrachtet. Dieses Naturerlebnis wird uns durch die tägliche Arbeit unserer Bauern ermöglicht und zugleich erhalten. Der landwirtschaftliche Betrieb ist Wohnsitz, Arbeitsplatz, Einkommen und Lebensgrundlage zugleich.

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Wenn allerdings der Bauer mit seinem Einkommen dermaßen unter Druck gerät, sodass bäuerliche Familien ihre Stalltüren für immer schließen müssen, dann ist das gesamte System gefährdet. Trotz laufender EUAusgleichszahlungen, die es uns Konsumenten ermöglichen, Lebensmittel zu günstigen Weltmarktpreisen im Geschäft zu kaufen, verbessert sich die Situation für die Betriebe selbst kaum.

Investitionsförderungen werden dem Bauern als besondere Zuckerl angeboten und problemlos vom Berater des Vertrauens abgewickelt. Der Lobbyismus, der dahinter steckt, ist beeindruckend. Meist traut man sich untereinander nicht ehrlich zu reden, was am Jahresende wirklich übrig bleibt. Von diversen Beratern wird der Bauer dazu animiert, große Investitionen für z.B. Stallbau, Maschinenzukauf, um größere Flächen zu bewirtschaften, ganz frei nach dem Motto „wachsen oder weichen?“, zu tätigen.

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Wo bleibt dabei die Wirtschaftlichkeit? Es werden zum Teil zu umfangreiche Investitionen getätigt, die durch die niedrigen Produktpreise nicht ausgeglichen werden können. Vor Inanspruchnahme der Investitionsförderung wurde bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung ein Milchpreis von 0,40 €/Liter suggeriert. Auf diese Beine wurde auch die Tilgung der Kredite aufgebaut. Sicher vorhersagen könne man nie etwas, aber es wird einem schon nichts passieren. Ja wenn man seinen Beratern nicht vertrauen kann, wem dann? Jedenfalls ist der Milchpreis binnen eines halben Jahres auf 0,27 €/Liter nach unten gerasselt. Die Investitionen sind getätigt. Der Landwirt lebt mit seiner Familie seit Generationen auf seinem Hof, ist für Grund und Boden und für seine Tiere verantwortlich.
Wie soll das Darlehen getilgt werden, wenn plötzlich nicht einmal die laufenden Kosten, mit dem nicht vorhersehbaren rückläufigen Produktpreis, bestritten werden können. Anno dazumal hat man um 1 Liter Milch = 1 Liter Dieselkraftstoff erhalten.

Stellen wir uns doch die Frage, wo wir heute stehen?
Das Dilemma ist, man wird dazu gezwungen, die Produktion zu steigern, um das Defizit auszugleichen. Die Spirale beginnt damit, noch größere Flächen in noch kürzerer Zeit zu bewirtschaften. Ein Ausstieg ist nur schwierig möglich.
Eine Aussage ist sehr interessant: „Wo bleibt unsere alte Bauernschläue, unser kritisches Hinterfragen und unternehmerisches Denken? Wir lassen uns zweifelsfrei von Lobbyisten lenken und machen uns vom Lebensmittelhandel abhängig.“ meint der Landwirt.

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Im Falle eines billigen Produkts müssen wir Konsumenten uns immer überlegen, dass jemand drauf zahlt. Sei es das Tier aufgrund intensiver Tierhaltung, der Landwirt, der nicht überleben kann, Grund und Boden oder weil er nur ausgebeutet wird. Vergessen wir nicht die Bienen, die für die Bestäubung der Obstgärten unabdingbar sind. Dass die bäuerliche Bevölkerung die am stärksten kontrollierte und am meisten abhängig gemachte Gesellschaftsgruppe geworden ist, stimmt unseren Landwirt nachdenklich.

Konsumenten und Bauern sitzen in einem Boot. Kauft der Konsument verstärkt hochwertige Produkte aus unserer Region, kann er die Art und Weise, wie unser gemeinsamer Lebensraum bewirtschaftet wird, positiv beeinflussen. Nicht außer Acht zu lassen ist die Wirtschaftsleistung, die direkt oder indirekt in unsere Region reinvestiert wird. Vergessen wir nicht die vielen Arbeitsplätze, die mit der Landwirtschaft verknüpft sind. Schlussendlich bestimmt der Konsument mit dem täglichen Einkauf über unsere gemeinsame Zukunft.

IMG_6562Wenn wir unsere „Brettljause“ am reichlich gedeckten Gabentisch genießen, sollten wir uns dabei wieder einmal Gedanken darüber machen, was denn der Landwirt den ganzen Tag eigentlich so macht…

WegwerfkuhFür weiterführende Informationen, möchte unser Bauer auf folgendes Buch von Autorin Tanja Busse, „Die Wegwerfkuh“ mit der ISBN-Nummer 978-3-89667-538-5 hinweisen.

Ich habe es auf dieses Anraten hin gelesen und bin von der treffenden Darstellung der Gesamtsituation sowie der darin vorgeschlagenen Lösungsansätze überzeugt.

Text und Recherche: Manuel Bichler

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